30 Jahre Orchestermusikerin
Die Musikerin Chi-chi Nwanoku, 1956 in London als Tochter einer Irin und eines Nigerianers geboren, entdeckt als Kind das Klavierspiel für sich, ehe sie ein Lehrer zum Kontrabass bringt. Zwar strebt sie zunächst eine Leichtathletikkarriere an, doch eine Knieverletzung setzt dem ein jähes Ende. Und nun wird der Kontrabass wieder entscheidend für ihr Leben. Nwanoku studiert an der Royal Academy of Music und gehört 1986 zu den Gründungsmitgliedern des auf Barockmusik spezialisierten Orchestra of the Age of Enlightenment. Mehr als 30 Jahre lang spielt sie in dem Orchester - und ist dabei stets die einzige Schwarze im Ensemble.
Geburtsstunde des Chineke! Orchestra
2014 nimmt sich das britische Kulturministerium dieses Problems an und lädt die Musikerin zu einem Auftritt des Kinshasa Symphony Orchestra aus dem Kongo ein. "Als ich nach dem Konzert nach Hause ging, wurde mir klar, dass es im 21. Jahrhundert auch in Europa auf einer Bühne, auf der Beethoven oder Berlioz gespielt werden, mehr als nur ein schwarzes Gesicht geben muss." Nwanoku hat die Idee, eine Stiftung für ein ethnisch vielfältiges Orchester zu gründen und so das Vorurteil, schwarze Musikerinnen und Musiker würden nur Jazz oder Hip-Hop machen, ein für alle Mal auszuräumen. Es ist die Geburtsstunde des Chineke! Orchestra, mit Ausrufezeichen hinter Chineke. Der Name leitet sich aus der nigerianischen Igbo-Sprache ab und bedeutet so viel wie "Gott, der Schöpfer der Welt und des Guten". Es sind 62 Musiker und Musikerinnen aus 31 Ländern.
Kein einfacher Weg
Nwanoku erinnert daran, dass auch Musikerinnen es am Anfang schwer hatten. Als sie 1991 ihren Abschluss an der Royal Academy machte, gab es keine einzige Frau im London Symphony Orchestra. Heutzutage ist etwa die Hälfte des Orchesters weiblich. Schon im Jahr darauf debütiert das Chineke! Orchestra im Southbank Centre in London. 2017 tritt das Orchester bei den prestigeträchtigen BBC Proms in der Royal Albert Hall auf. Der Guardian bezeichnet den Auftritt als "eines der wohl wichtigsten Konzerte, das die Proms je ausgerichtet haben." Und auch international bleibt der Erfolg nicht aus. Das Orchester spielt 2022 beim Finale des renommierten Lucerne Festival und dann in der Hamburger Elbphilharmonie. Wie hat Sir Simon Rattle gesagt: "Die Gründung dieses Orchesters ist eine zutiefst notwendige Idee, die die klassische Musik im Vereinigten Königreich für Generationen vertiefen und bereichern könnte."
Mentoren-Programm für junge Musikerinnen und Musiker
Inzwischen gibt es auch das Chineke! Junior Orchestra, in dem junge Talente im Alter von 11 bis 22 Jahren erste Orchestererfahrung sammeln und mit einem umfassenden Mentoren-Programm auf das Musikstudium vorbereitet werden. "Wenn auch nur ein einziges schwarzes oder ethnisch gemischtes Kind das Gefühl hat, dass seine Hautfarbe seinen musikalischen Ambitionen im Wege steht, dann hoffe ich, es zu inspirieren, ihm eine Plattform zu geben und ihm zu zeigen, dass Musik, egal welcher Art, für alle Menschen da ist," so Chi-Chi Nwanoku. Allerdings können sich viele die Studiengebühren an den Londoner Musikhochschulen nicht leisten. "Die Stipendien werden meistens an Bewerber vergeben, die sowieso schon durch ihre Herkunft privilegiert sind. Das wollte ich ändern." Nwanoku hat deshalb gezielt Stipendien für bedürftige Jugendliche gefordert. Das Royal College of Music, die Royal Academy und das Trinity College of Music haben sich schon zur Vergabe eines solchen Stipendiums bereit erklärt.
Der Funke springt über
"Den Wandel vorantreiben und die Vielfalt in der klassischen Musik feiern", so lautet das Motto und zugleich das Ziel des Chineke! Orchestra. Auf das Publikum ist der Funke schon übergesprungen. "Wer da spielt und was da gespielt wird, all das sorgt für ein diverses Publikum - und zwar auf Anhieb. Weil diese Leute sich bisher nicht willkommen gefühlt haben", ist Nwanoku überzeugt.